Danke Jürgen!
Eine Ära geht zu Ende. Mit Bedauern hat unser Urgestein Jürgen Knopper mit Juni 2024 seinen Rücktritt als Obmann sowie als Funktionär bei den Tigers bekannt gegeben. Ihm haben wir die Gründung des Clubs 2008, sowie 16 Jahre Funktionärsarbeit zu verdanken. Ohne seinen Einsatz würde unsere Tigers-Family definitiv nicht existieren und viele Jugendliche und junge Erwachsene hätten nicht die Möglichkeit gehabt, durch seine Kaderschmiede sportliche sowie persönliche Erfolge zu feiern. Danke dir dafür! Nachfolgen wird ihm als neuer Obmann Mag. Christian Lexer.
Ganz von der Bildfläche verschwinden wird Jürgen aber trotzdem nicht. Er nimmt den Posten des Kinder- und Jugendkoordinators an. Bereits im Frühjahr hat er sich hier stark eingebracht und unsere Kids zu Einsätzen bei den Österreichischem Meisterschaften begleitet. Im Herbst folgen Projekte mit ausgewählten Kärntner Schulen, sowie erweiterte Jugendarbeit an mehreren Standorten in Kärnten.
Wir sind froh, dass du uns erhalten bleibst und sind dir auf Ewigkeit dankbar, dass du Rugby in Kärnten groß gemacht hast!
PS: Falls Interesse besteht bei unserem Kindertraining mitzumachen, besteht jeden Samstag um 10:00 am Koschatplatz in Klagenfurt die Möglichkeit dazu.
Aber mehr zu Jürgen! Und wie er die Welt so sieht: Eine Rugby Biografie!
Wie ich zum Rugbyspieler wurde und was ich daran so aufregend finde
Der frühe erste Kontakt
In der Schule galt ich als guter, wenngleich nicht überragender Sportler. Egal, ob
Fußball, Eis- /Ballhockey oder Judo, die Skills erwiesen sich als brauchbar, ohne den
gehobenen Durchschnitt weit zu überragen. Lediglich im Mittelstreckenlauf erwies
ich mich schulübergreifend als einer der Schnelleren in Klagenfurt. Mein geschätzter
Sportprofessor Robert Kropiunik (der jüngst seinen 80er feierte!) sah mich schon als
800-Meter-Talent auf der Tartanbahn.
Es blieben einmalige Ausflüge in das Leichtathletiklager, einem Ball oder Puck im
Burschengroßgeschwader nachzujagen behagte mir mehr, als das Leichtathletikoval.
Deren Akitve trainieren übrigens unvorstellbar hart. Derselbe Kropiunik infizierte
mich als Schüler als Zugabe mit dem Rugbyvirus. Er ließ uns zwei oder dreimal ein
rugbyähnliches Spiel abspulen. Dabei ging es vogelwild zu, heute würden sich
Sportlehrer wegen Haftungsfragen halb zu Tode fürchten, Mitte der 80er noch kein
Thema. Jedenfalls konnte ich mich in diesem Spiel auch gegen die Alpha-Burschen
gut behaupten, physisch glich mein Körper den Fähigkeiten im Sport:
Durchschnittlich. Aber ich verstand mich gegen die körperlich schon besser
entwickelten Jugendlichen durchzusetzen. Es war das erste überwältigendes Erlebnis
für einen Burschen, gerade kein Dreikäsehoch mehr. Ich war im positiven Sinne
infiziert.
Die Inkubationszeit vom Rugbyvirus währte ein ganzes langes Jahrzehnt. Ich befand
mich in den frühen 20ern,war längst der Schule entwachsen und ein neuer Job hielt
mich beruflich ständig auf Trab. Davor führte mich eine Reise nach London, während
der Rugby-WM 1995. Die lief zwar in Südafrika, war aber überall außerordentlich
präsent. Mein Kulturausflug geriet zum Sporttourismus, anstatt Madame Tussauds,
Tower & Dungeon standen All Blacks, Springboks & Co. auf der Agenda. Bei
schlechten englischen Pints, wo ich in noch schlechterem Englisch die Regeln
erfragte. Die damalige Freundin wünschte mir das Dungeon. Mindestens. Dabei war
sie nicht einmal mit.
Die ersten Schritte
Beinahe ebbte das Rugbyfieber wieder ab. Einige Monate später kam mir aber zu
Ohren, dass sich eine Gruppe Unentwegter regelmäßig in Villach zum Kampf um das
Ei traf. Just gegenüber der Eishalle vom großen Eishockey-Lokalrivalen, initiiert von
Alan Drewett, der ein nahes Pub führte und selbst auf gehobenem Niveau spielen
konnte. Erstmals betrat ich den Trainingsplatz und war sofort geflasht. Die
Glückshormone ließen die Neuronen bei jedem noch so patscherten Tackle einen
Riverdance steppen. Mit dem Ball zog ich von Beginn an den Sidestep der brachialen
Konfrontation vor.
Das Abenteuer endete bedauerlicherweise schnell. Mein damaliger Chef, ein Mann
mit Villach-Bezug, bekam rasch Wind von meiner neuen Leidenschaft. Er zeigte sich
keineswegs hocherfreut und fürchtete um meine körperliche Unversehrtheit.
Selbstredend aber vor allem um meine Arbeitskraft. "Zu gefährlich!", so der
gestrenge Dienstherr, der in seiner Jugend selbst kein unbekannter Ballsportler war.
Erstmalig war ich mit Vorurteilen konfrontiert, ein gleichsam ärgerliches,
verzichtbares wie sich wiederholendes Erlebnis. Würde er dasselbe sagen, wenn ich
regelmäßig auf Schiern stehe? Den Zusammenhang zwischen Gefahrenschätzung
und kultureller Verankerung eines Sports realisierte ich erst viel später. Schifahren ist
nachweislich gefährlicher, da werden in Österreich Verletzungen aber ohne große
subtiler oder offener Androhungen akzeptiert. Es ist halt Schifahren, zugleich die
sportliche Großkathedrale und heilige Kuh der Republik. Meine beruflichen Einsätze
in- und außerhalb Österreichs ermöglichten kein geregeltes Training. Also ließ ich es
schweren Herzens sein. Ein richtiges Spiel war mir nicht vergönnt. Noch nicht.
Rugby for Lifetime als Spätberufener
Wieder ging ein Jahrzehnt ins Land, mittlerweile studierte ich im 2. Bildungsweg
Publizistik an der Klagenfurter Universität. Hier kam ich abermals mit Rugby in
Kontakt, diesmal über Erasmus-Studenten, die sehr bedauerten, dass es in Kärnten
keinen Club gibt, dem sie sich anschließen konnten. Dass es so einen mit den
"Matadors" bereits seit Ende 2003 in Paternion gab, ging an mir vorüber. Von einem
Prediger gegründet, wie trefflich, unserem Sport ist der Kleinheit wegen bis zum
heutigen Tag Segen von oben bekömmlich. Die Weltmeisterschaft 2007 in Frankreich
war ein sogar in Österreich wahrnehmbares Sportweltereignis, nicht zuletzt wegen
ikonischer Spieler wie Sébastien Chabal. Die WM entfachte neuerlich mein Feuer.
"Jetzt aber wirklich", so ich zu mir. Ich ging auf die 35 zu und wollte es endlich
wissen.
Im Oktober 2008 war es dann so weit. Im zarten Alter von 36 Jahren stand ich
erstmals auf dem Platz in einem richtigen Spiel. Die Spielgemeinschaft "Kärnten"
(Paternion, Arnoldstein und das von mir gegründete Klagenfurt) stand in Paternion
der Auswahl von Niederösterreich gegenüber. Als unterzähliges Team (nur 14 statt
15 Mann) und gespickt mit zahlreichen Newbies verloren wir sang- & klanglos knapp
mit 0:102. Ich spielte auf der Position eines Centers und hatte während der
gesamten 80 Minuten lediglich drei oder vier Ballkontakte.
Dennoch durchströmten überwältigende Glücksgefühle Geist und Körper. Der Sport
ließ mich für einige Stunden alles vergessen, was mich im Alltag quälte. Wirklich alles.
Sicher, dafür muss niemand Rugby spielen. Aber diese körperliche Intensität unter
strengen Regeln, die absolute Abhängigkeit von seinen Mitspielern, das bei aller
Härte auf dem Platz herrschende Sportmanship lassen sich anderswo selten finden.
Im Rugbyspiel bindet man sich bei gewissen Spielsituationen. Die Spieler bilden
gewissermaßen ein Rudel, indem man seine Mitspieler und Gegenspieler
gleichermaßen an der Wäsche und Körper ergreift und versucht den Gegner
wegzuschieben. Ein Knäuel von Leibern, die sich zu einem Körper verschmelzen, um
ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Das existiert ansonsten in keinem Sport. Die viel
strapazierte Metapher "Team" & Teamsport" ist so körperlich erfahrbar und ein
echtes Alleinstellungsmerkmal.
Nach dem Spiel spürte ich jeden Knochen, jede Sehne, ich spürte Muskeln, von deren
Existenz ich bis zu diesem Zeitpunkt nichts wusste. Dennoch trug ich Erschöpfung
und die nicht sichtbaren Narben mit Stolz. Nun bin ich doch noch ein echter "Rugger"
geworden. "Chabal für Arme", riefen mich die Mitspieler meiner damaligen wilden
langen Haare wegen. Mir wurde gewahr, etwas gemacht zu haben, was nicht jeder
beherrscht. Nicht wegen des Körpers, wegen des Mindsets, das ein Rugger benötigt.
Erstaunt und dankbar verspürte ich die Ausgeglichenheit nach dieser
Premierenschlacht um das Eierlaberl. Ein Gefühl, das ich nicht mehr missen möchte.
Erstmals lernte ich nach dem Spiel auch die Rugbykultur kennen. Rund 40 Beteiligte
(Spieler, Offizielle und Schiedsrichter) feierten nach dem Schlusspfiff ein rauschendes
Fest, ehrten die Tagesbesten, zelebrierten einige lustige Spiele. Einige
Niederösterreicher liefen splitternackt eine Runde um den Platz. Der "Zulu", von
Verbandsfunktionären nicht immer gerne gesehen, aber eine beliebte Tradition für
Spieler, die ihre ersten Versuche (Punkte) ihrer Karriere erzielten. Der Zeitpunkt
meines Zulus lag für mich noch in der Ferne. Er sollte aber kommen,
praktischerweise im Ausland, sodass keine Fotos vom spontaner FKK am Sportplatz
im Umlauf sind. Zum Zulu wird übrigens niemand gezwungen und die Ehrenrunde ist
nicht überall erwünscht oder üblich. Rugby versteht sich als weltumspannende
Community mit regionalen Eigenheiten, nicht als Sekte.
15 Jahre später bin ich immer noch aktiv. Ich feierte 2022 meinen 50. Geburtstag
und beendete gefühlt schon 15 x die Spielerkarriere. Ganz konnte ich nie die Finger
davon lassen, selbst wenn sich von außen die Stimmen "jössas, des in deinem Alter?"
häuften. Sollen sie doch quatschen was sie wollen, sie ahnen nicht, was mir dieser
Sport gibt. Ich spiele, solange mich die Knochen dafür tragen, der Zeitpunkt vom
Ende als kommt ohnehin viel zu früh, die Zeit danach wird viel zu lange.
Als Spieler gilt für mich das, was schon in meiner Jugend für Sport galt: Respektabel,
aber nicht überragend. Für einen richtig guten, kompletten Spieler lernte ich das ein
wenig zu spät. Glücklicherweise gibt es innerhalb von Rugby viele verschiedene
Aufgaben, wo jeder seine individuellen Stärken einbringen kann. Von meiner
früheren Sportarten erwiesen sich erlernte Fähigkeiten als einsetzbar, wie die
Fallschule vom Judo, oder die Bewegungsmuster vom Fußball. Der stämmige
Spielertyp wirft sein schieres Gewicht und Urgewalt in die Waagschale. Der leichte,
flinke Rugger seine Antriebsschnelligkeit. Der schlaksige Riese stellt seine Lufthoheit
in den Dienst der Mannschaft. Der Feinmotoriker sein Ballhandling für zielgenaue
Pässe. Sie alle, wirklich alle, werden in einer funktionierenden Truppe benötigt und
ergeben eine meisterhafte, einmalige Komposition in der Sportwelt. Würde man
Rugby vertonen, am Ende würde eine monumentale Rockoper in drei Akten die
Bühnen beleben. Als After-Match-Zugabe gibt es feinste Partymusik. Ein Sport für
alle Körper und Freunde des geselligen Miteinanders.
Von Verletzungen blieb ich ebenfalls nicht verschont. Sie kommen vor, es ist sinnlos,
es wegdiskutieren oder das Spiel gefährlicher darzustellen, als es tatsächlich ist.
Aber viele aufregende Dinge im Leben beinhalten ohnehin etwas Gefahr. Es ist ein
Teil vom Spiel, der sich durch angeleitetes Training, Disziplin & Fairness erheblich
reduziert. Ich kann jedem und jeder (Frauen spielen ausgezeichnet nach demselben
Reglement) nur wärmstens einen versuch empfehlen.
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